Kinder- und Jugendhilfe beteiligt sich aktiv an dem Projekt "ARIADNE"

Waisenhausstiftung


Die Oscarnominierung für den besten fremdsprachigen Film „Systemsprenger“ hat besonders verhaltensauffällige und aggressive Kinder und Jugendliche erstmals in den Fokus gerückt. Das Jugendhilfewesen kommt mit ihnen an seine Grenzen. Die Waisenhausstiftung hat nun das Projekt „Ariadne“ mitentwickelt und sucht damit neue Wege der pädagogischen Betreuung.

Auch die Waisenhausstiftung betreut in ihren Einrichtungen hin und wieder stark belastete Jugendliche, die durch aggressives und gefährdendes Verhalten von Wutanfällen bis zu Messerattacken auffallen. Für diese jungen Menschen gibt es bundesweit momentan keine pädagogischen Angebote. Sie wechseln von Einrichtung zu Einrichtung und lassen Pädagog_innen hilflos und zunehmend ratlos zurück. Sie beschäftigen Jugendämter und Jugendhilfeträger in sehr hohem Maße. Deshalb hat die Stiftung zusammen mit sechs weiteren Trägern ein für Baden-Württemberg einmaliges Modellprojekt aus der Taufe gehoben. „Ariadne“ soll als Hilfeverbund Jugendämter und Einrichtungen gleichermaßen entlasten und neue passgenaue Angebote für die jungen „Systemherausforderer“ entwickeln. Die Waisenhausstiftung selbst ist hier in einer Doppelrolle: Als betroffene Einrichtung kennt sie nur zu gut die schwierige Situation, die jungen „Systemherausforderer“ aufnehmen zu müssen, obwohl sie dafür nicht die geeigneten Rahmenbedingungen bieten kann. Gleichzeitig hat die Kinder- und Jugendhilfe der Stiftung viel Erfahrung gesammelt und berät künftig selbst im Rahmen des Ariadne-Projektes landesweit Jugendämter sowie Jugendhilfeeinrichtungen.

 

Frühkindliche Bindungsstörungen, Traumata und Selbstmordgedanken

Das Thema ist komplex und schwierig: Jugendämter suchen verzweifelt nach Plätzen in Jugendhilfeeinrichtungen, um Kinder und Jugendliche, die nicht mehr zuhause leben können, so unterzubringen, dass ihren individuellen Hilfebedarfen adäquat begegnet werden kann. Frühkindliche Bindungsstörungen, weil die Eltern keinen Halt und keine Geborgenheit vermitteln können, sind vermutlich eine der Ursachen des Verhaltens von Jugendlichen, die jedes System sprengen. Die Eltern sind aufgrund von Sucht oder psychischen Problemen häufig selbst instabil und unberechenbar, wie soll da Urvertrauen entstehen? Die seelischen Verletzungen der jungen Menschen sind schwer bis gar nicht zu heilen. Essstörungen, Depressionen, Angststörungen, Psychosen, Autismus, Traumata oder Suizidgedanken prägen ihr auffälliges Verhalten.

 

Schwierige Suche nach passgenauen Lösungen

Der konkrete Fall eines Mädchens, das von der Stiftung in Obhut genommen wurde und dann für über ein halbes Jahr in der „Zuflucht“ lebte, war Anlass, gemeinsam im Verbund mit anderen Trägern nach ganz neuen Ideen zu suchen. Das 15-jährige Mädchen hatte Pädagog_innen attackiert, wurde häufig nachts von der Polizei aufgegriffen, verletzte sich und andere, kam immer wieder temporär in die Psychiatrie und hatte bereits eine langjährige „Karriere“ in verschiedenen pädagogischen Einrichtungen. „Wir haben bundesweit verzweifelt nach einer geeigneten Unterbringung gesucht“, so Birgit Söhne vom Amt für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Freiburg. Doch das städtische Jugendamt erhielt aufgrund der schwierigen Verhaltens-Biographie des Mädchens unzählige Absagen. Und so musste jedes Mal als „Notnagel“ die „Zuflucht“ der Waisenhausstiftung als Notunterkunft einspringen. Doch die „Zuflucht“ ist lediglich als temporäre Unterbringung in akuten Not- und Krisensituationen gedacht.

„Unsere ‚Zuflucht‘ bot für dieses Mädchen nicht den notwendigen Rahmen“, so Helmut Roemer, Fachbereichsleiter der Kinder- und Jugendhilfe der Waisenhausstiftung. „Es scheint nichts Passendes zu existieren für diesen konkreten Fall. Der Druck war extrem hoch, für das Mädchen eine Unterbringung zu finden.“ An einem runden Tisch kamen Jugendamt, Stiftung, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Polizei schließlich zusammen. „Alle waren alarmiert und ratlos“, so Helmut Roemer.

 

Ariadne entwickelt neue Herangehensweisen

Die Waisenhausstiftung vernetzte sich landesweit mit anderen Trägern, die langjährige Erfahrungen in der Erziehungshilfe vorweisen, und entwickelte zusammen mit ihnen ein Modellprojekt, das auf Austausch und kollegiale Zusammenarbeit setzt. So entstand schließlich „Ariadne“. In Baden-Württemberg sind jährlich rund 16 Fälle zu verzeichnen, wo Jugendliche jeden Hilferahmen sprengen. Für sie braucht es eine Antwort. „Wir müssen besser zusammenarbeiten, weil unser Jugendhilfesystem verstärkt herausgefordert wird und wir neue Ideen und unorthodoxe Herangehensweisen brauchen“, erklärt Helmut Roemer.

Auch Birgit Söhne freut sich über das Modellprojekt. „Als Jugendamt finden wir es sinnvoll, mit Ariadne jetzt einen Hilfeverbund zu haben, der gemeinsame Unterstützung und den Austausch von Ideen ermöglicht.“ Sie erhofft sich von dem neuen Modellprojekt konstruktive und kreative Ansätze außerhalb der etablierten Jugendhilfe: „Wir brauchen passgenaue Angebote, damit sich auch diese Jugendlichen bestmöglich entfalten und entwickeln können“, so Birgit Söhne.

Für das Mädchen konnte schließlich in einem europäischen Land eine Unterkunft mit individueller Betreuung in ländlicher Umgebung gefunden werden. „Jugendliche rausholen aus der Stadt und sie in einem reizarmen Umfeld unterbringen – das scheint hier zunächst eine gute Lösung zu sein“, erzählt Birgit Söhne. Das Jugendamt steht in engem Kontakt mit dem dortigen Jugendhilfeträger, die Berichte sind bislang positiv.

 

Mehr Informationen zu ARIADNE

Mehr Informationen zu dem Projekt ARIADNE und dem Netzwerk finden Sie unter https://www.ariadne-bw.de/projekt.

 

Kontakt

Kinder- und Jugendhilfe der Waisenhausstifung
Adelhauser Straße 33 
79098 Freiburg

info.jugendhilfe(at)sv-fr.de
Tel. 0761 2108 215