Mubera Šeho

Von Flucht, Ankommen und Bleiben

Erhielt 2004 ein Stipendium der Dr.-Leo-Ricker-Stiftung.

Sie setzt sich immer schon sehr engagiert für andere Menschen ein und hat diese Haltung auch zu ihrem Beruf gemacht. Dies hängt nicht zuletzt mit ihrer eigenen Biographie zusammen: Mubera Šeho stammt aus Bosnien, wuchs auf einem Bauernhof auf und flüchtete als elfjähriges Mädchen zusammen mit ihren Geschwistern vor dem Krieg nach Deutschland. Kriegserfahrung, Flucht und Armut haben sie geprägt. Aber auch Zusammenhalt, Solidarität und Empathie hat sie erfahren. Das Gute in den Menschen – das gibt sie heute weiter.

 

Heimat aufgeben und eine neue Heimat aufbauen

Ethnische Verfolgung, Todesangst und Verzweiflung: Mubera Šehos Dorf war für Muslime nicht mehr sicher aufgrund zunehmender Massaker. 1992 flüchtete sie zusammen mit ihren drei Geschwistern im Winter zu Fuß nach Deutschland, wo sie bei einem Onkel wohnen konnten. Die Eltern hatten all ihr Erspartes dafür aufgebraucht, sie selbst blieben zurück, kümmerten sich um den 90-jährigen Großvater.

Mubera Šeho hat als Kind bereits Schlimmes erlebt und doch niemals aufgegeben. Nach dem Krieg in Ex-Jugoslawien ging sie als 16-Jähriges Mädchen wieder zurück nach Bosnien. Das Zuhause war abgebrannt, die Eltern waren mittellos. Mubera Šeho machte Abitur, war Jahrgangsbeste, wollte danach in Sarajevo studieren. Doch die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten waren für eine arme Familie unbezahlbar. Mubera Šeho wanderte zusammen mit ihrer Schwester erneut nach Deutschland aus und begann 2001, in Freiburg Soziologie, Erziehungswissenschaft und Psychologie sowie Flüchtlingssozialarbeit zu studieren. Sie erzählt: „Ich konnte es mir nicht leisten, durch eine Prüfung zu fallen, denn dann wäre mein Visum nicht verlängert worden.“ Parallel dazu sicherte sie ihren Unterhalt mit vielen Nebenjobs. Nach neun Semestern hatte sie einen sehr guten Magisterabschluss in der Tasche und Angst abgeschoben zu werden. Nur mit einem Arbeitsvisum war ein weiterer Aufenthalt möglich.

Sie war danach Abteilungsleiterin in einer IT-Firma, dann Bildungsberaterin, Dolmetscherin und schließlich wissenschaftliche Mitarbeiterin eines Landtagsabgeordneten. Und dann kam das Jahr 2015. Tausende von Menschen auf der Flucht wanderten innerhalb kurzer Zeit nach Deutschland ein. Das Flüchtlingsjahr 2015 war für sie persönlich eine Zäsur und erinnerte sie an ihre eigene Erfahrung. Sie wollte den ankommenden geflüchteten Menschen helfen, kannte die verzweifelte Situation, wenn man die Heimat aufgeben muss, nur zu gut. Am Landratsamt Emmendingen baute sie eine Stabstelle für psychosoziale Beratung auf und übernahm die Projektleitung „Rückkehr- und Perspektivberatung für Flüchtlinge“. Seit 2018 ist sie Integrationsmanagerin der Stadt Freiburg. In dieser Stadt fühlt sie sich auch zuhause. Freiburg ist ihre Heimat geworden.

 

Dr.-Leo-Ricker Stipendium als große Entlastung

Das Stipendium der Dr.-Leo-Ricker-Stiftung war für Mubera Šeho eine „riesige Hilfe“. Sie konnte als Studentin einige Nebenjobs endlich aufgeben und sicherte sich zudem damit auch die Verlängerung des Visums. Zwei Jahre lang konnte sie sich voll und ganz auf den Magisterabschluss konzentrieren. Das monatliche Stipendium, zusammen mit dem Lohn aus der Tätigkeit als studentische Hilfswissenschaftlerin, reichte endlich, „um sich über Wasser zu halten“. Rückblickend sagt sie: „Das Stipendium war für mich wie ein Geschenk! Es hat mir sehr geholfen. Denn der finanzielle Druck war enorm gewesen. Am Ende hatte ich fast keine Kraft mehr. Dann erhielt ich Gottseidank die Zusage für das Stipendium. Das war eine große Entlastung und ich bin auf ewig sehr dankbar dafür.“

 

Soziales Engagement

Mubera Šeho sieht auf all das Glück, das sie im Leben hatte: „Ich habe oft sehr nette Leute kennen gelernt, die mir geholfen haben. Dieses Glück möchte ich weitergeben und ebenfalls Menschen helfen, wo ich kann.“ Sie war bereits während des Studiums und auch danach vielfach ehrenamtlich aktiv. So half sie u.a. in einem Flüchtlingswohnheim, engagierte sich im Nachbarschaftswerk der Diakonie und war viele Jahre im Migrant_innenbeirat der Stadt Freiburg tätig. Mubera Šeho setzt sich für Gerechtigkeit ein und integriert gerne Menschen, um ihnen einen sozialen Halt zu geben.

 

Jeder Mensch zählt

Als Integrationsmanagerin der Stadt Freiburg hat sie ihre Haltung zum Beruf gemacht. Sie hilft geflüchteten Menschen beim Einstieg in die Gesellschaft, beim Ankommen, beim Zurechtfinden. „Ich will Menschen motivieren, nie aufzugeben. Denn jeder Mensch zählt.“
Sie lacht und erklärt die Bedeutung ihres Vornamens: Mubera ist „die Glückliche“.